„The Rocket“ & Co. schießen Eurosport in den Quoten-Himmel
Am Anfang war es nur eine Art Schlafmittel. Ich kam von der Arbeit, schnappte mir ein Bierchen, fletzte mich vor den Fernseher und zappte auf Eurosport. Snooker-Time spät in der Nacht! Ein riesiger grüner Tisch, 22 Kugeln, zwei Spieler, die mit ihren Queues unvorstellbare Dinge anstellen. Nach wenigen Minuten Zuschauen hatte ich meine innere Ruhe gefunden.
Das ist zehn Jahre her. Damals gehörte ich zu ein paar tausend Spinnern, die Snooker, eine Spielart des Billard, toll fanden. Diese Zeiten sind vorbei. Snooker ist längst Kult, eine Boom-Sportart, ein TV-Hit. Auch in
Deutschland!
Als der britische Superstar Ronnie O'Sullivan vor einem Jahr im WM-Finale den Schotten Graeme Dott 18:8 schlug, waren bei uns bis zu einer Million Zuschauer live dabei. Jetzt spielen Favorit Ronnie „The Rocket“ („Rakete“, Foto oben) und die Besten der Welt – wie immer im britischen Sheffield – wieder um den wichtigsten Titel der Saison.
Und obwohl kein einziger deutscher Spieler dabei ist, sitzen bei den Eurosport-Übertragungen bei uns im Durchschnitt 400 000 Zuschauer vor dem Fernseher. Für das Finale am Sonntag und Montag rechnen die Experten mit einem neuen Rekord.
Für den Sender ist Snooker längst eine der wichtigsten Sportarten, die WM eines der Top-8-Events des Jahres. Eurosport berichtet in den drei Wochen 120 Stunden, 100 davon live. Täglich gibt es tausende Einträge im Internet-Forum, schicken Fans 2000 SMS, von denen eine Auswahl im gelben Bildschirm-Laufband gezeigt wird. Die Anmerkungen und Fragen in den Kurznachrichten kommentiert und beantwortet Eurosport-Experte Rolf Kalb während der Übertragung.
Das Phänomen Snooker – wie ist es zu erklären?
Für Eurosport-Sprecher Werner Starz sind es vor allem drei Gründe: „Snooker ist eine unglaublich fernsehgeeignete Sportart. Man ist fast hautnah am Tisch, trotz der Ruhe der Sportart ist es oft unglaublich dramatisch. Außerdem gibt es mittlerweile Spieler, die ein unglaubliches Identifikations-Potential haben. Allen voran Mega-Star O'Sullivan.“ Und dann ist da noch Kommentator Rolf Kalb, der Snooker in die deutschen Wohnzimmer bringt und während der Übertragungen bei den Fans zu einer Art Familienmitglied wird.
Kalbs warme, ruhige Stimme zieht einen in den Bann. Der 45jährige Journalist ist ein Snooker-Verrückter. Daß er selbst durch seine Reportagen zum Star geworden ist, ist ihm eher ein bißchen peinlich: „Ich find's komisch, daß ich als Journalist mittlerweile selbst Autogrammkarten habe, weil so oft danach gefragt wird.“
Die Stars der Szene kommen fast alle von der Insel. Neben O'Sullivan und dem Schotten Steven Hendry (siebenfacher Weltmeister) sind beispielsweise Stephen Maguire (Schottland), Paul Hunter (England) und die beiden Waliser Mark Williams und Matthew Stevens zu nennen. Allesamt mega-coole Typen mit Womanizer-Faktor.
Sie alle sind auf der Insel hochverehrt, längst Millionäre. Denn Snooker ist dort nach Fußball die Sportart Nummer 2!
A propos Rekorde: Für Eurosport ist es ein Segen, daß bei der laufenden WM der Century-Break-Rekord fallen könnte. Ein „Century“ ist dann erreicht, wenn ein Spieler in einer Aufnahme (also an einem Stück) hundert und mehr der maximal 147 Punkte holt. 2004 kam das 52 Mal vor. In diesem Jahr waren es bis zum Achtelfinale schon 45.
Den Mega-Hammer packte Mark Williams schon in der ersten Runde gegen Robert Milkins aus. Er spielte ein Maximum Break, das perfekte Spiel mit der Höchstpunktzahl 147. Das gab's zuvor erst fünfmal bei einer WM! Der Lohn: 147 000 Pfund (245 000 Euro). Aber: Williams schied im Achtelfinale gegen Ian McCulloch (England) aus.
Williams' Gala – ein Gänsehaut-Auftritt! Die Zuschauer im Crucible Theatre von Sheffield, seit 1977 Austragungsort der WM, tobten. Am Nachbartisch hatten sie längst zu spielen aufgehört, um Williams bei seinen letzten Bällen (nicht Kugeln!) zu sehen. War das spannend!
Ich schlafe längst nicht mehr beim Snooker ein. Und fühle mich auch nicht mehr als Snooker-Spinner. Dieser Sport ist ein genialer Ruhepol in einer hektischen (Sport-)Welt.
PS.: Seit Dienstag laufen die Viertelfinals. Eurosport überträgt dreimal täglich.
Quelle: BILD