Hallo,
ich habe seit kurzer Zeit nicht gemeldete Untermieter - eine Grünmeisenfamilie auf dem Balkon. Die beiden Meisen haben die Frechheit gehabt, zwei Kinder zu "produzieren" - naja, sie haben halt ne Meise
Das man nicht gerade leicht lebt mit so ner Meise, ergibt sich aus meinem kurzen Tagebuch, in dem Meisenbaby 1 den Namen Willi und Meisenbaby 2 den Namen Fred erhalten hat. Wenn es irgend jemand langweilt, höre ich sofort wieder auf - will ja keine Meise bekommen
Gruß!
Hoppel
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10. Juni
Eben angeflogen, ist schon der schönste Streit ausgebrochen - Willi hat seinen (neuen) Zeitungsschnipsel im Schnabel und Fred will ihn auch. Nicht den Schnabel, sondern den Schnipsel. Scheinbar will Fred immer alles, was Willi hat. Jedenfalls großes Getobe und Geschrei auf dem Balkon - FEIERABEND!
11.06.
Totale Ruhe auf dem Balkon. Kein Willi, kein Fred. Beide sitzen verängstig in ihrem Nest und haben alle Streitigkeiten vergessen: das erste Gewitter in ihrem Leben. Fred tschilpt ab und zu hilflos, während Willi nur guckt, mal ein Beinchen vorstreckt und auch -selten- aus dem Nest rausgeht - um mit einem Affentempo bei jedem Donner wieder zurück zu rennen. So schnell war noch nie ein Vogel wie Willi!
12.06.
Ich sacke gleich ab, was man von Fred und Willi nicht unbedingt sagen kann. Willi hat entdeckt, das ganz oben an der Balkondecke eine Ranke-Pflanze vom Nachbarbalkon ihre Fühler auf meinen Balkon ausstreckt. Das einzige (!) Blatt der Pflanze wurde nach der mutigen Entdeckung von Willi gekapert - sämtliche Versuche Freds, auch mal das Blatt nur zu sehen, werden durch Willi tapfer verhindert. Die beiden Racker machen einen Lärm wie eine ganze Vogel-Kompanie
13.06.
Es ist zum Jammern. Heute morgen, so gegen halb fünf, war die Welt noch in Ordnung, alles war ruhig - bis der Balkonkrieg begann
Ein nicht zu überhörendes Vogelgeschrei markierte das Erwachen meiner Mini-Familie. Und richtig - Fred war der erste, der wach wurde und seine Chance gegen Willi sah - das Blatt gehörte nun IHM! Willi war natürlich gar nicht zufrieden mit dieser Entwicklung und entwickelte eine Gegenstrategie. In den letzten Tagen haben sich beide auf "ihren" Wassernapf "geeinigt" - und nun ging Willi also mutwillig (!) an Freds Wassernapf, was wiederum Fred
nicht gefiel. Und so wurde lautstark hin- und hergeflogen auf dem Balkon - jeder mußte ja etwas verteidigen! Das Ergebnis ist ein nicht mehr existentes Blatt - es hat den Ansturm nicht überlebt...
Im Augenblick baden die beiden Würmer...aber wie ich die beiden Racker kenne, werden sie sich schnell etwas neues einfallen lassen...
14.06.
Irgendwas hat heute bei der Rückkehr der Racker nicht hingehauen
Kein Gestreite, kein Rumfliegen - absolute Ruhe.
Kurze Zeit nach dem "Einfliegen" sind dann Willi & Fred auf der Balkonbrüstung erschienen, wo sie mindestens 10 Minuten blieben - ohne Streit, ohne Getschilpe. Einfach nur so.
Irgendwann dann haben alle Alarmglocken in mir geklingelt und ich habe vom Schreibtisch aus den Balkon gecheckt. Und richtig: Wassernapf 1 war umgeschmissen und Napf 2 stand in der prallen Sonne.
Ich habe gaaanz vorsichtig einen 3. Napf mit frischem und kaltem Wasser rausgeschoben - die Meisen-Idylle ist wieder hergestellt!!! Fred & Willi baden schon seit 3-4 Minuten, selbst Papa Meise (oder ist es Mama Meise?) nahm ein Sekundenbad...
15.06.
Es gibt nichts neues zu berichten. Inzwischen hat sich eine Art Feierabendritual herausgebildet, das im wesentlichen aus drei Kontrollblicken, 3 Tätigkeiten und dem Rest besteht.
Nach Einflug in den heimischen Balkon begutachten Fred & Willi als erstes das Nest (ist es noch da? war jemand im Nest?). Der zweite Blick gilt dem Wasser (ist es noch da? alle beiden Näpfe?) Der dritte Kontrollgang führt auf die Balkonbrüstung und ist dem Revier zuzuordnen (ist es noch da? hat sich jemand ohne Erlaubnis eingeschlichen?). Erst danach widmen sich meine beiden unerschrockenen Racker ihrer Lieblingsbeschäftigung: streiten. Ist dies erledigt, wird zur Abwechslung (nach einer kurzen Minute des Ausruhen
und Feder-Putzen) mal wieder gestritten. Es gibt wieder eine kurze Pause und dann - man ahnt es kaum - wird erneut gestritten. Davon erschöpft begeben sich beide nach einem Bad und der Federpflege ins Nest, wo sich Fred und Willi liebe- und hingebungsvoll nochmal kurz kabbeln und dann langsam einschlafen Ein typischer Meisen-Baby-Feierabend eben
16.06.
Es war ein aufregender Feierabend für meine beiden Gauner.
Wie üblich wurde beim Heimflug alle Aufmerksamkeit auf die "drei Fragen " konzentriert - Nest da? Wasser da? Balkon und somit Revier da?
Fred und Willi haben dann beim letzteren Auftrag (also von der Balkonbrüstung aus checken, ob das Revier noch da ist) angefangen, sich zu streiten, bis sie plötzlich einen großen weißen Plüsch-Teddy sahen, den ich ihnen auf den Balkon gestellt habe.
Die Piepmätze haben alle Streitigkeiten vergessen und erst mal auf ihrer Balkonbrüstung "nachgedacht", was das nun sei. Willi (natürlich Willi!) hat sich dann nach einer halben Stunde rangetraut - immer wieder ist er rangeflogen, um sofort wie wild wieder wegzufliegen. Fred hat dies ängstlich beobachtet - jedesmal, wenn Willi zu nahe an Teddy ran kam, war von Fred ein sehr lautes Gezwitscher zu hören...
Irgendwann haben sie wohl rausbekommen, daß ihnen der Plüsch-Teddy nichts tut. Willi thront jetzt auf dem Kopf von dem Teddy zwischen seinen beiden Ohren, während Fred es sich auf dem Bauch gemütlich gemacht hat. Statt sich zu streiten. zwitschern sie gemütlich vor sich hin.
Was ich irgendwie verstehe: 2 Wassernäpfe, 1 Zeitungsschnipsel, 1 Teddy - ein wahres 5-Sterne-Hotel für Grünmeisen :-)))