"Command & Conquer" hat ausgeballert
Was hatte die Game-Presse das Facelifting der neuesten Version der Kultspiel-Reihe "Command & Conquer" bejubelt: "Schöner, härter, realistischer" sei der virtuelle Krieg nun, lobte "Gamestar". Für das Bundesjugendministerium war C&C wohl zu nah am Leben - und Sterben.
Nicht in Deutschland: "Now available"
Woran lag es denn nun? In einer ungewöhnlich schnellen Entscheidung setzte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften am Dienstagnachmittag die neueste Version des Kultspiels "Command & Conquer" auf den Index. Ab Freitag, dem 28. Februar, darf das Spiel nicht mehr beworben oder an Minderjährige verkauft werden. Electronic Arts, die normalerweise auf Familien-Kompatibilität gebürstete Gaming-Großmacht und Vertrieb des Spiels, fackelte da gar nicht lange und ließ "C&C: Generals" schon mal von der eigenen Website verschwinden.
Leicht dürfte das den inzwischen in Köln ansässigen Spielehändlern kaum gefallen sein. Noch immer steht die Vorgängerversion "Code Red" an Platz Vier der Unternehmenseigenen Verkaufscharts: Über Jahre war C&C eine Marke, die Geld machte.
Und dann ging Entwickler Westwood, derweil in "EA Pacific" umgetauft, hin und verpasste dem angestaubten Spielprinzip ein Facelifting: Bis Code Red war C&C eine Art "Siedler mit verschärfter Gangart". Das Strategiespiel besah sich alles aus gebührender Distanz, neben Kampfhandlungen spielten auch konstruktive Elemente (Bauen, Planen, Sichern) eine große Rolle. Bei "Generals", das steht außer Frage, geht es um reine Action: Ballern, bis der Arzt kommt.
Zynische Rahmenhandlung
Ganz nah heran und mitten ins Morden hinein können sich die Spielefreaks nun zoomen: Ausdrücklich lobte die Spielepresse den Zuwachs an Realismus: "Bedrohlich blinkende Atomraketen, grüne Giftgas-Nebel und die detailliertesten Explosionseffekte der Saison vermitteln eine nervenkitzelnde Spielwelt", schrieb "Gamestar".
Für Bundesfamilienministerin Renate Schmidt ging das ein wenig zu weit: "Solche kriegsverherrlichenden Computerspiele wie C&C Generals, die den Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen wehrlose Menschen zum Ziel erhoben haben, sind grundsätzlich verabscheuenswert und gehören nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen!"
Auf Antrag ihres Ministeriums wurde die Bundesprüfstelle tätig und schuf Tatsachen - als "vorläufige Maßnahme". Die endgültige Indizierung könnte erst im Verlauf der Märzsitzung der Bundesprüfstelle beschlossen werden.
Zweifel daran, dass "Generals" auf dem Index bleibt, gibt es wenige
Woran sich das Bundesfamilienministerium stieß, war wohl das Gesamtsujet des Spieles mit seinen unappetitlichen Anlehnungen an die traurige Realität - denn sachlich betrachtet bietet der Markt weit blutigere und brutalere Titel. Doch "Generals" bewegt sich sehr nah an der Wirklichkeit: Die Rahmenhandlung spielt nur wenige Jahre in der Zukunft. Es geht um den Kampf gegen den Terror, wobei der Spieler in unterschiedliche Rollen schlüpfen kann.
Völlig jenseits aller Geschmacksgrenzen sind Optionen wie die, Selbstmordattentäter zu trainieren und Terroranschläge zu planen. Auch der "strategische" Einsatz sämtlicher denkbarer Massenvernichtungsmittel reduziert Zivilisten zu Kollateralschäden - ganz wie im richtigen Leben. Mitunter sind sie sogar mehr als nur "in Kauf genommene Opfer": Auch der gezielte Angriff auf Zivilisten oder etwa UN-Konvois gehört zum Spiel.
All das beißt sich natürlich sowohl mit der deutschen Politik, als auch mit dem bisher in der westlichen Welt als verbindlich angesehenen Wertegerüst: Es ist zynisch.
Gamer sehen das natürlich anders, denn sie scheiden streng nach Realität und Spiel. Alles, was nur auf dem Bildschirm und im Kopf stattfindet, wird in seinen Implikationen grundsätzlich überbewertet, glauben sie.
Eine Meinung, die den gesellschaftlichen Konsens nicht spiegelt. Ähnlich wie nun wird sich das Familienministerium nach dem 1. April wohl kaum mehr engagieren müssen: Ab dann gilt das neue Jugendschutzgesetz, und das schreibt verbindlich eine Altersauszeichnung von Digital-Spielen vor. Die Gesetzesnovelle war eine Reaktion auf den Amoklauf von Erfurt, bei dem ein Schüler 13 Lehrer, zwei Mitschüler und einen Polizisten erschossen hatte. Die Tat wird im Kontext einer Fixierung des Täters auf gewaltverherrlichende Filme und Spiele gesehen. Zu einer Indizierung des damals immer wieder genannten Spieles "Counter Strike" kam es damals aber nicht: Da fehlte wohl das politische Element.
Wie immer wirkt die Indizierungs-Entscheidung zunächst verkaufsfördernd. Am "Tag danach" fielen bei Amazon zwar die Preise für das ab Freitag nicht mehr zu verkaufende Spiel. Zugleich stiegen aber die Preise für gebrauchte Spiele auf über 60 Euro. Der gleiche Effekt greift bei eBay, wo der Preis für gebrauchte Spiele längst den Preis der Neuware übersteigt. Die Nachfrage dürfte wohl anhalten: Bisher hatte noch jede Indizierung den Effekt, die "Glaubwürdigkeit" eines Spieles in der Baller-Gemeinde zu erhöhen.
"Das kann doch nur 'ne Fehlinfo sein", schrieb ein Fan im Forum des "Command & Conquer Headquarters", "was soll den daran schlimm sein? Am Game, mein ich, da ist doch nix brutales, außer der Krieg". Da prallen eben Kulturen aufeinander.
Frank Patalong
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